Die digitale Welt hat unser aller Leben in vielerlei Hinsicht zum Guten verändert. Doch in ihren Tiefen gedeiht auch eine der schlimmsten Formen von Ausbeutung: die Scam-Fabriken. Diese illegalen Einrichtungen operieren auf der ganzen Welt, von Südostasien bis nach Westafrika, und ziehen hunderttausende Menschen in ihre Fänge. Sie sind Brutstätten für Online-Betrug und moderne Sklaverei.
Nicht nur die Opfer von Scams sind Leidtragende. In sogenannten Scam-Fabriken werden tausende von Menschen zum Betrug gezwungen.
- Mit Hilfe falscher Job-Versprechen werden Menschen in sogenannte Scam-Fabriken gelockt.
- Dort werden sie gezwungen, Betrugsmaschen durchzuführen – oftmals unter menschenunwürdigen Bedingungen.
- Die Hintermänner sitzen meist in Südostasien und es ist schwer, sie zur Rechenschaft zu ziehen.
Die dunklen Netzwerke hinter den Stellenanzeigen
Die Strategie der Scam-Fabriken beginnt oft mit einem scheinbar harmlosen Angebot: ein gut bezahlter Online-Job in einem fernen Land, eine Verlockung, der vor allem arme und sozial isolierte Menschen anzieht.
So berichtet zum Beispiel Interpol [Seite auf Englisch], dass bis März 2025 Menschen aus 66 Ländern in solche Betrugszentren gelockt wurden. Besonders betroffen sind Staaten in Südostasien, darunter Kambodscha, Myanmar, Laos und Thailand, die als die Hauptdrehscheiben für solche kriminellen Aktivitäten gelten.
Hunderttausende Menschen als Opfer
Allein in Myanmar, so schätzt das UN-Menschenrechtsbüro [Seite auf Englisch], wurden über 120.000 Menschen in “Cyber-Scam-Komplexen” gefangen, wo sie gezwungen wurden, Online-Betrügereien durchzuführen.
Die Opfer werden aus allen Ecken der Welt rekrutiert – aus Asien, Afrika, aber auch aus Südamerika und Europa. Sie werden mit falschen Versprechungen in diese Länder gelockt, wo sie sich dann plötzlich in der Gewalt von kriminellen Netzwerken wiederfinden.
Betrügerische Fabriken und Zwangsarbeit
Was viele nicht wissen: Die Menschen, die in diesen Scam-Fabriken arbeiten, sind oft nicht nur Opfer von Online-Betrug, sondern auch von schwerem Menschenhandel. Die Täter betreiben diese Fabriken wie Unternehmen: Sie setzen ihre “Mitarbeiter” unter enormen Druck, um täglich Tausende von Nachrichten zu versenden, Falschangaben zu machen und falsche Investitionsmöglichkeiten zu bewerben.
Wer nicht genug erreicht, wird bestraft. Wer zu langsam arbeitet oder gegen die Regeln verstößt, muss mit körperlicher Gewalt rechnen. Berichte von Überlebenden erzählen von Schlägen, Misshandlungen, aber auch von sexueller Gewalt.
Opfer berichten von Gewalt und Freiheitsentzug
In einem Fall aus dem Jahr 2025 konnte ein Mann aus Nigeria berichten, wie er in einer Scam-Fabrik in Myanmar in eine Falle gelockt wurde. Dort war er gezwungen, über 16 Stunden am Tag Chatnachrichten zu senden, um Menschen in den USA von vermeintlich lukrativen Immobilieninvestitionen zu überzeugen. Wer nicht das gewünschte Ergebnis erzielte, wurde mit Schlägen bestraft, seine Bewegungsfreiheit war stark eingeschränkt.
Diese Szenarien spielen sich hinter verschlossenen Türen ab, oft in abgeriegelten Komplexen, die von bewaffneten Wachen überwacht werden. Berichte über die Zustände in solchen Anlagen sind erschütternd. Die Zwangsarbeiter schlafen in großen Hallen, eingepfercht wie Vieh, ohne die Möglichkeit, den Ort zu verlassen oder mit der Außenwelt zu kommunizieren.
Ihre Pässe und Handys werden ihnen abgenommen, und sie sind gezwungen, in einem ständigen Arbeitsrhythmus zu leben, der keine Pausen zulässt. Einige dieser Lager ähneln Gefängnissen, in denen die Menschen mit militärischer Präzision gehalten werden.
Wer zieht die Fäden?
Das eigentliche Problem dieser Scam-Industrie ist nicht nur das Ausmaß der Zwangsarbeit, sondern auch das Netzwerk, das sie am Laufen hält. Auf der einen Seite gibt es die kriminellen Banden, die direkt in den Scam-Fabriken operieren, doch der wahre Kopf dieser Organisationen bleibt meist im Verborgenen.
Ermittlungen zeigen, dass es sich bei den Drahtziehern dieser Betrugsnetzwerke häufig um hochgradig organisierte kriminelle Vereinigungen handelt. Diese Netzwerke verdienen jährlich Milliarden von Dollar, die durch Bitcoin und andere Kryptowährungen gewaschen werden.
Die Betrüger agieren dabei in einer Art “compound capitalism”, bei dem die Zwangsarbeiter nicht nur als Arbeitskräfte betrachtet werden, sondern auch als Teile eines hochgradig organisierten Ausbeutungssystems, das sich über die ganze Welt zieht.
Hohe Dunkelziffer
Die Zahl der Opfer ist schwer zu erfassen, doch Schätzungen gehen davon aus, dass über 300.000 Menschen allein in Südostasien in solchen Betrugszentren tätig sind. Aber auch andere Regionen wie Westafrika und Zentralamerika entwickeln sich zunehmend zu Knotenpunkten für diese Art von kriminellen Aktivitäten.
Berichte aus Nigeria und Ghana deuten darauf hin, dass auch dort immer mehr Menschen in den Strudel von Menschenhandel und Online-Betrug geraten.
Die Rolle der Kryptowährungen und KI beim Betrug
Die Verbindung zwischen modernen Technologien und diesen kriminellen Aktivitäten nimmt immer drastischere Formen an. Künstliche Intelligenz und Blockchain-Technologien bieten den Betrügern neue Werkzeuge, um ihre Opfer zu täuschen und ihre Machenschaften im Verborgenen zu halten. Das hat die Betrugsindustrie in den letzten Jahren massiv erweitert.
Auf Portalen wie Telegram und Facebook werden immer häufiger gefälschte Stellenanzeigen geschaltet, die Menschen in die Fänge dieser Organisationen locken. Sie werden gezwungen, durch “Love Scams” oder gefälschte Investitionsmöglichkeiten Vertrauen zu gewinnen und dann das Geld ihrer Opfer zu stehlen.
Aktueller Fall
Ein Beispiel dafür ist ein Vorfall, der in den letzten Monaten in Myanmar aufgedeckt wurde. Ein Mann aus Vietnam, der in ein vermeintliches Jobangebot für eine “Marketingposition” gelockt wurde, landete schließlich in einer dieser Betrugsfabriken, wo er gezwungen wurde, Chatbots und KI-gestützte Programme zu verwenden, um ahnungslose Investoren in Krypto-Betrügereien zu verwickeln.
Diese Art von Technologie hilft den Tätern, ihre Identitäten zu verschleiern und das Vertrauen der Opfer zu gewinnen, ohne dass sie mit echten Menschen in Kontakt treten müssen.
Die Auswirkungen auf die Opfer
Die Auswirkungen dieser Art von Missbrauch auf die Opfer sind tiefgreifend und weitreichend. Viele der Opfer werden nicht nur finanziell ruiniert, sondern auch emotional und psychologisch gschädigt. Berichte von Opfern belegen, dass sie durch die ständige emotionale Manipulation, gepaart mit den physischen und psychischen Misshandlungen, in eine Art Abhängigkeit geraten sind.
In einem Fall aus Vietnam erzählte eine junge Frau, wie sie über Monate hinweg mit einem vermeintlichen “Liebhaber” über WhatsApp kommunizierte, der ihr immer wieder versicherte, dass sie Geld investieren müsse, um gemeinsam ein besseres Leben zu führen. Sie überwies fast 20.000 Dollar, bevor sie merkte, dass sie betrogen wurde.
Viele der Opfer bleiben traumatisiert und finden es schwer, sich von der Erfahrung zu erholen. Inzwischen gibt es immer mehr Berichte über Menschen, die nach ihrer Befreiung aus diesen Scam-Fabriken Schwierigkeiten haben, wieder in ein normales Leben zurückzukehren.
Das Ende der Schattenindustrie in Sicht?
Trotz wiederholter Razzien und internationaler Ermittlungen bleibt die Scam-Industrie eine der profitabelsten Formen des Verbrechens. Während immer wieder Menschen aus den Lagern befreit werden – zuletzt über 7.000 Arbeiter in Myanmar – bleibt die Hintermänner dieser kriminellen Organisationen oft ungeschoren.
Internationale Sanktionen und strengere Maßnahmen gegen die Betreiber haben bisher nur begrenzte Erfolge erzielt. Selbst bei den groß angelegten Razzien in Südostasien sind die größten Akteure in der Regel nie betroffen, da sie ihre Operationen schnell verlagern oder ihre Identitäten ändern.
Längerfristige Lösungen erfordern mehr als nur sporadische Razzien. Ohne eine konsequente Bekämpfung von Korruption, einheitliche internationale Zusammenarbeit und einen robusteren Schutz der Opfer wird diese Industrie weiterhin florieren. Doch der internationale Druck wächst, und es gibt Hoffnung, dass diese Schattenindustrie in Zukunft vielleicht endgültig ins Licht gezerrt werden kann – wenn auch der Weg dorthin steinig bleibt.
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