Ein Leuchten des Smartphone-Displays an der Kasse, ein kurzer Scan, und die Cocktailtomaten sind 32 Prozent günstiger. Willkommen in der Welt von Lidl Plus. Doch für die verlockenden Schnäppchen zahlt der Kunde nicht nur mit Euro. Die eigentliche Währung sind persönliche Daten. Ein Tauschgeschäft, das den Discounter nun vor die Gerichte bringt.

Rabatte gegen Daten. Verbraucherschützer verklagen Lidl, weil Kunden mit persönlichen Informationen für die Vorteile der „Lidl Plus“-App bezahlen. Die Gerichte prüfen nun die Rechtmäßigkeit dieser verdeckten Kosten.
- Gerichtsverfahren prüft, ob die Bezahlung mit Daten als Entgelt ausgewiesen werden muss.
- Zweite Klage wirft dem Discounter zusätzlich irreführende Werbeversprechen vor.
- Urteil entscheidet, wie der Handel verdeckte Datenzahlungen künftig handhaben darf.
Kostenlos ist nicht umsonst: Der Streit um die digitale Quittung
Im Zentrum der Auseinandersetzung steht ein Verfahren vor dem Oberlandesgericht Stuttgart. Der Bundesverband der Verbraucherzentrale wirft Lidl vor, seine Kunden über die wahren Kosten der „Lidl Plus“-App zu täuschen. Zwar sei die Nutzung, wie beworben, ohne finanzielle Aufwendung möglich. Nach Ansicht der Kläger zahlen die Nutzer jedoch sehr wohl, nämlich mit ihren persönlichen Daten.
Die Verbraucherschützer sehen darin eine Verletzung der gesetzlichen Informationspflichten. Damit berührt die Klage, die bereits im April diesen Jahres eingereicht wurde, eine grundsätzliche Frage: Ist die systematische Überlassung von Daten eine Form von Entgelt, das klar als solches benannt werden muss? Dass die Klärung komplex ist, räumte selbst der Vorsitzende Richter Oliver Mosthaf ein. Er sprach von einem „relativ einfachen Sachverhalt“, der auf eine „ziemlich komplizierte Rechtslage“ treffe.
Der gläserne Einkaufskorb
Was im Einkaufswagen landet, ist dabei nur der Anfang. Die App ist neugierig und fragt in den Kontoeinstellungen direkt nach sehr persönlichen Detail. Gibt es Kinder oder Haustiere im Haushalt? Wer erledigt den Wocheneinkauf, und wie oft? Aus den freiwilligen Antworten und der präzisen Erfassung jedes gekauften Artikels entsteht so ein Kundenprofil, das deutlich mehr verrät als eine simple Einkaufsliste und somit die Lebensumstände der Nutzer offenlegt.
„Größte Preissenkung der Geschichte“? Ein zweites Verfahren rückt Lidls Werbeversprechen ins Zwielicht
Auch die Verbraucherzentrale Hamburg hat eine zweite Klage gegen das Unternehmen eingereicht. Hier geht es um die Werbekampagne mit dem Slogan, dass über „500 Produkte“ dauerhaft im Preis gesenkt worden seien. Die Verbraucherschützer stufen diese pauschale Aussage als irreführend ein, da sie bei den Konsumenten einen falschen Gesamteindruck erwecke. Ihrer Ansicht nach suggeriert die Werbung eine flächendeckende und wesentliche Reduzierung, die in der Realität nicht stattgefunden habe.
Das Vorgehen erinnert an eine frühere Klage gegen den Slogan von der „größten Preissenkung der Geschichte“. Schon damals wurde Lidl unlautere Werbung vorgeworfen. Diese Klagewelle eröffnet die Frage, wie legal die Werbestrategien von Discountern eigentlich noch sind.
Was ist der wahre Preis für „kostenlos“?
Der Richter in Stuttgart hat es eigentlich auf den Punkt gebracht. Der Fall sei ein „einfacher Sachverhalt“ mit einer „komplizierten Rechtslage“. Und genau hier wird es spannend, denn bei dem Streit geht es um viel mehr als nur um Lidl. Es geht um das große Ganze. Verhandelt wird die knifflige Frage, was unsere persönlichen Daten im digitalen Kapitalismus eigentlich wert sind, wenn wir sie für ein vermeintliches Schnäppchen hergeben.
Der Streit um den 10-Euro-Coupon wird so zum Praxistest. Das Gericht muss nun also klären, ob unsere Gesetze für die neue Währung „Daten“ überhaupt noch fit sind. Die Entscheidung wird zeigen, ob der Verbraucherschutz im Netz am Ende Zähne zeigen kann oder nur ein Papiertiger ist.