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Vorsatz oder Versäumnis? Der 300-Millionen-Influencer-Betrug geht in die nächste Runde

300 Millionen Euro. So hoch soll der Steuerschaden sein, den Influencer allein in Nordrhein-Westfalen verursacht haben. Die Nachricht über die Steuerermittlungen schlägt hohe Wellen und erreicht nun auch Berlin. Handeln hier Profis mit krimineller Energie oder sind Deutschlands Influencer schlichtweg am komplexen deutschen Steuerrecht gescheitert?

Ein Mann und eine Frau, die jeweils ein Smartphone halten, mit einem Geldsack dazwischen. Eine zackige Linie mit dem Label „FINANZAMT“ trennt sie von einem Gebäude, das das Finanzamt symbolisiert. - Erstellt mit AI durch Betrugstest Prompt.

Steuerfahnder nehmen die Influencer-Szene ins Visier. Der Verdacht lautet auf 300 Millionen Euro hinterzogene Steuern. Nun wird geprüft, ob es sich um Vorsatz oder schlichte Überforderung handelt.

  • Datenpaket mit 6.000 Datensätzen löst eine Ermittlungswelle in NRW aus. Nun kommt Berlin mit 4000 Datensätzen hinzu.
  • Ermittler gehen von Vorsatz aus. Als Indizien gelten fehlende Steuernummern bei hohen Einnahmen und Scheinwohnsitze in Dubai.
  • Staat reagiert mit spezialisierten Ermittlerteams in NRW und Berlin.

Was hinter den 300 Millionen Euro Steuerschulden steckt

Der Auslöser für die aktuelle Ermittlungswelle ist ein riesiges Datenpaket. Das Landesamt zur Bekämpfung der Finanzkriminalität in NRW wertet darin, wie unter anderem die Tagesschau und der Spiegel berichteten, rund 6.000 Datensätze von diversen Social-Media-Plattformen aus. Der Vorwurf ist konkret. Einnahmen aus Werbedeals, Abonnements und Kooperationen flossen offenbar direkt in die eigene Tasche, ohne dass der Fiskus seinen Anteil erhielt.

Darunter fallen auch Partnerschaften in rechtlichen Grauzonen, etwa für umstrittene Online-Lotterien, bei denen die Grenzen der Legalität ohnehin schon verschwimmen und oft nicht als Werbung gekennzeichnet sind. Dass bei solchen Einnahmen dann auch der Fiskus seinen Anteil nicht erhielt, überrascht die Ermittler kaum.

Warum Ermittler von bewusstem Betrug ausgehen

Die Antwort der Steuerfahnder ist klar. Für sie geht es hier nicht um überforderte Neulinge, die ein paar Rechnungen vergessen haben. Vielmehr sprechen die Behörden von einer hohen kriminellen Energie, mit der einige Selbstständige ihre steuerlichen Pflichten gezielt umgehen. Dieser Vorsatz zeigt sich nicht nur beim Fiskus. Er spiegelt sich auch in der Bereitschaft wider, für schnelles Geld die eigenen Follower zu täuschen, beispielsweise durch die Bewerbung von manipulierten Sportwetten. Als stärkstes Indiz gilt ein simples, aber entlarvendes Detail.

Es ist keine Seltenheit, dass Influencer monatlich Zehntausende von Euro verdienen, aber nicht einmal eine Steuernummer beim Finanzamt besitzen. Sie existieren für das Finanzamt schlichtweg nicht. Ein weiteres Muster, das die Ermittler alarmiert, ist die gezielte Abmeldung ins Ausland. Dabei sticht ein Ziel ganz besonders hervor und ist in der Szene längst zum Symbol für Steuerflucht geworden.

Scheinadresse Dubai

Dubai ist dabei das beliebteste Ziel. Doch eine bloße Briefkastenadresse im Emirat reicht den deutschen Behörden längst nicht aus. Wichtig ist der tatsächliche Lebensmittelpunkt. Wer sich weiterhin überwiegend in Deutschland aufhält und Content für ein deutsches Publikum produziert, bleibt in der Regel hier steuerpflichtig. Naive Unwissenheit? Eher nicht! Der Kölner Rechtsanwalt Christian Solmecke, der die Szene juristisch eng begleitet, bestätigt diese Einschätzung:

„[…] Denn auch, wenn die Influencer aktuell in Dubai leben, unterliegen sie dennoch dem deutschen Steuerrecht. … Da die meisten Influencer sich nur kurzzeitig in Dubai aufgehalten haben … können sie wegen Steuerhinterziehung belangt werden.“

Christian Solmecke – Kölner Medienanwalt
Quelle: https://www.watson.de/unterhaltung/analyse/934734238-influencer-aeussern-sich-zu-fan-verdacht-deshalb-reisten-sie-aus-dubai-aus – Seite abgerufen am 15.08.2025

Schnelle Ruhm, schwierige Regeln

Die Szene selbst zeichnet allerdings ein differenzierteres Bild. Es ist die Geschichte von jungen Creatorn, die oft direkt aus der Schule in den Beruf starten und von ihrem eigenen Erfolg überrollt werden. Plötzlich fließen fünf- oder sechsstellige Beträge pro Monat, ohne dass jemals ein solides kaufmännisches Wissen vermittelt wurde.

Themen wie Gewerbeanmeldung, Umsatzsteuervoranmeldung oder Vorauszahlungen werden schnell zu Stolpersteinen. Der Fokus liegt auf dem Content, nicht auf der Buchhaltung. Hier verschwimmt die Grenze zwischen bewusster Täuschung und purer Überforderung in einem komplexen Steuersystem. Ein Paradebeispiel dafür sind Sachleistungen.

Geständnisse aus der Szene

Dass dies keine abstrakte Gefahr ist, belegen öffentliche Geständnisse bekannter Creator. Der Streamer Tanzverbot legte offen, wie ihn Kaufsucht und ein verschwenderischer Lebensstil in hohe Steuerschulden trieben. Auch Branchen-Urgestein Simon Krätschmer gestand, Schulden aus Jahren mit bis zu 300.000 Euro Einkommen angehäuft zu haben, nachdem Investments in Kryptowährungen und Aktien an Wert verloren. Sein öffentlicher Umgang damit und die Bitte um finanzielle Unterstützung durch Fans führten zu massiver Kritik.

Für das wohl größte Aufsehen sorgte jedoch der YouTuber ApoRed. Er behauptete, angeblich Steuerschulden von 3,6 Millionen Euro zu haben, was ein Insolvenzverfahren nach sich zog. Auch wenn der Wahrheitsgehalt seiner Geschichte umstritten ist, verdeutlicht der Fall die extremen Summen der Branche. Einen transparenteren Weg wählte der YouTuber Christian Nosty. Er machte seine durch Spielsucht entstandenen Schulden öffentlich und konnte sie mit Hilfe seiner Community begleichen. All diese Fälle zeigen, wie schnell der finanzielle Absturz folgen kann. Ein noch häufigerer, weil unsichtbarerer Stolperstein sind jedoch Sachleistungen.

Geldwerter Vorteil: Die unsichtbare Einnahmequelle

Diese Sachleistungen sind eine der größten Fallen der Branche. Das beginnt bei der vermeintlich harmlosen Goodie-Bag auf einem PR-Event. Es geht weiter über die teure Uhr als Dankeschön für einen Post bis hin zur vollfinanzierten Luxusreise oder gar einer Schönheitsoperation.

Für das Finanzamt sind das keine Geschenke, sondern ein geldwerter Vorteil. Dieser ist genauso wie Bargeld als Einkommen zu behandeln und muss versteuert werden. Wer das ignoriert, ob aus Unwissenheit oder Kalkül, begeht Steuerhinterziehung. Genau diese Grauzonen werden nun von den Behörden gezielt ausgeleuchtet.

Wie geht’s weiter? Spezial-Ermittler im Einsatz

Die Auswertung der tausenden Datensätze wird Monate dauern. Doch der Druck auf die Szene wächst nicht nur aus den Finanzämtern, sondern auch aus der Politik. Der Berliner SPD-Abgeordnete Sebastian Schlüsselburg kritisiert die aus seiner Sicht mangelnde Transparenz des Senats und bringt die Debatte auf den Punkt.

Während die Kassiererin im Supermarkt jeden Cent versteuere, dürfe es für Influencer keine Ausnahmen geben. Gleichzeitig reagieren die Behörden mit Aufklärung. Ein bundesweiter Leitfaden soll über steuerliche Pflichten informieren. Zwischen Ermittlungsdruck und Hilfsangebot wird die Branche nun endgültig zur Professionalität gezwungen.

Anatol Tsirgiotis
Anatol testet unabhängig Buchmacher und Wett‑Apps, vor allem mit Fokus auf Sicherheit und Betrugsprävention. Er entlarvt Maschen wie Fake‑Lizenzen, Bonusfallen, Phishing und intransparente AGB und prüft die Lizenzlage, Datenschutzmaßnahmen sowie Ein‑ und Auszahlungen. Neue Anbieter müssen strenge Checks basierend auf expliziten Kriterien bestehen. Sein Ziel: Nur makellose Wettanbieter empfehlen.
Geschrieben von: Anatol Tsirgiotis
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