Sie täuschen Jobs vor, sperren ihre Opfer in abgeschotteten Gebäudekomplexen ein und zwingen sie zu Betrug im Internet. Scam-Zentren, in denen Menschen unter Gewaltandrohung für kriminelle Netzwerke arbeiten, breiten sich rasant über den Globus aus. Was als regionale Erscheinung in Südostasien begann, entwickelt sich laut einem aktuellen Bericht von INTERPOL zur weltweiten Krise. Mehr als 60 Länder sind betroffen. Doch wie gefährlich ist das neue System wirklich, wenn künstliche Intelligenz mittlerweile Teil des Betrugs geworden ist?

Es geht um Ausbeutung, Täuschung und technologische Manipulation. Weltweit entstehen Scam-Zentren, in denen Menschen unter Zwang arbeiten, unterstützt von KI und über Ländergrenzen hinweg organisiert.
- Scam-Zentren breiten sich laut INTERPOL weltweit aus.
- Westafrika wird zum neuen Betrugshotspot
- Künstliche Intelligenz unterstützt digitale Ausbeutung
Rasche Globale Ausbreitung der Scam-Zentren
Die Masche wandert, und mit ihr die Zentren der digitalen Ausbeutung. Was einst in Kambodscha, Laos oder Myanmar begann, hat längst neue Kontinente erreicht. In Westafrika entstehen derzeit Strukturen, die dem Scam-Modell südostasiatischer Prägung auffallend ähneln, und zwar duch abgeschirmte Komplexe und vernetzte Technik. Auch im Nahen Osten und in Zentralamerika mehren sich Hinweise auf entsprechende Aktivitäten.
Möglich macht das eine flexible, grenzüberschreitend arbeitende Schattenökonomie, die sich bestehender Schwächen in Grenzkontrollen, Arbeitsmigrationssystemen und digitaler Überwachung bedient. Westafrika entwickelt sich dabei zum Knotenpunkt und das nicht zuletzt wegen vorhandener Netzwerke im Bereich Cybercrime. Die Ausbreitung folgt keiner großen Geste, sondern der Logik effizienter Expansion, also dezentral, schnell und international.
Neue regionale Hotspots: Westafrika und Zentralamerika
Bis März 2025 wurden laut INTERPOL Scam Report [Quelle auf Englisch] Menschen aus 66 Ländern in Scam-Zentren verschleppt, wobei kein Kontinent verschont blieb. Obwohl 74 % der Opfer in Südostasien landeten, verlagert sich der Fokus zunehmend auf andere Regionen. Westafrika entwickelt sich dabei zu einem neuen Knotenpunkt für Online-Betrugszentren, mit zunehmenden Aktivitäten auch in Zentralamerika und dem Nahen Osten.
Die Expansion folgt der Logik krimineller Netzwerke, denn sie nutzen bestehende Schwächen in Grenzkontrollen, Arbeitsmigrationssystemen und digitaler Überwachung aus. In Westafrika beispielsweise verbinden sich alte Cybercrime-Netzwerke mit neuen Akteuren. In Zentralamerika zeigen erste Fälle ein ähnliches Muster, wobei wirtschaftliche Instabilität und schwache Strafverfolgung die Ausbreitung begünstigen.
Wer sind die Opfer?
Entgegen aller Vermutungen sin die Opfer keineswegs nur Menschen am Rande der Gesellschaft. Viele von ihnen sind junge Erwachsene zwischen 20 und 39 Jahren, die zuvor in regulären Berufen tätig waren, etwa als Büroangestellte, Techniker oder im Dienstleistungssektor. Auf der Suche nach besseren Lebensbedingungen oder neuen beruflichen Perspektiven werden sie durch gefälschte Stellenanzeigen und vermeintlich lukrative Jobangebote angelockt. Soweit so tragisch, doch hier beginnt der Leidensweg erst.
Nach ihrer Ankunft werden sie in abgeschotteten Komplexen festgehalten, ihre Pässe konfisziert und sie selbst unter Androhung von Gewalt, Schuldknechtschaft und anderen Misshandlungen zur Durchführung von Online-Betrügereien gezwungen. Die Lebensbedingungen in diesen Zentren sind oft katastrophal. Berichte dokumentieren Fälle von Schlägen, sexueller Ausbeutung, Elektroschocks und sogar Organhandel. Besonders betroffen sind Menschen aus wirtschaftlich instabilen Regionen, die auf der Suche nach besseren Lebensbedingungen sind.
Diese Form des Menschenhandels stellt eine doppelte Bedrohung dar, einerseits für die direkt betroffenen Opfer, andererseits für die weltweite Gesellschaft, die durch die von diesen Zentren ausgehenden Betrugsmaschen finanziell und emotional extrem geschädigt wird.
Täterprofile: Wer steckt hinter den Scam-Zentren?
Die Betreiber der Scam-Zentren agieren global, doch ihre Profile weisen auffällige Gemeinsamkeiten auf. Laut INTERPOL stammen rund 90 % der identifizierten Menschenhändler aus Asien, insbesondere aus Südostasien. Weitere 11 % haben ihren Ursprung in Südamerika oder Afrika. Auffällig ist die demografische Zusammensetzung: 80 % der Täter sind Männer, wobei 61 % zwischen 20 und 40 Jahre alt sind. Die Täter nutzen bestehende Infrastrukturen und korrupte Strukturen in verschiedenen Ländern, um ihre Operationen zu erweitern. Die Rekrutierung erfolgt häufig über soziale Medien und Online-Plattformen.
Einsatz von KI
Sicher ist, dass Täuschung immer mehr zur Technologiefrage wird. In immer mehr Fällen greifen Betrugsnetzwerke auf KI-gestützte Systeme zurück, um gefälschte Jobanzeigen zu generieren, die realistisch genug sind, um Bewerber weltweit in die Irre zu führen. Handarbeit? Fehlanzeige, ähnlich wie bei KI generierter Musik auf Streaming-Plattformen. Hier sind automatisierte Prozesse an der Tagesordnung. Deepfakes kommen zum Einsatz, um glaubwürdige Identitäten zu erschaffen, oft für Romance-Scams oder sogenannte Sextortion. Die Grenze zwischen Mensch und Simulation verschwimmt also immer mehr, während die Methoden der Täter digital skalierbar werden.
In den Zentren selbst entstehen damit effizientere Täuschungsstrukturen, die sich in Windeseile an neue Plattformen, Zielgruppen und Sicherheitsmechanismen anpassen. Für Ermittlungsbehörden bedeutet das also, die Hintergründe rasch zu verstehen, denn qer diese Systeme verstehen will, muss technologisch mithalten können.
Internationale Reaktionen
Razzien, Festnahmen, grenzüberschreitende Ermittlungen: In den vergangenen zwei Jahren haben INTERPOL und nationale Polizeibehörden dutzende Einsätze gegen Scam-Zentren koordiniert, unter anderem in Namibia und auf den Philippinen. Doch der Handlungsdruck steigt. Die Strukturen sind dezentral, anpassungsfähig und operieren schneller, als es viele nationale Systeme zulassen.
INTERPOL ruft daher zu engerer internationaler Kooperation auf. Gemeint sind nicht nur Strafverfolger, sondern auch NGOs, die Opfer unterstützen, und Tech-Unternehmen, deren Plattformen für Betrug genutzt werden. Wichtig wird sein, Informationen schneller zu teilen, Warnsysteme grenzüberschreitend zu verknüpfen – und das Tempo der Täter nicht nur zu verstehen, sondern zu unterbinden.