Droht bald eine Klagewelle? Mögliche Rückzahlungsansprüche für Verlierer von Sportwetten
In einem seit Jahren bestehenden juristischen Graubereich boten Betreiber Sportwetten an, eine Praxis, die nun dank einer richtungsweisenden Stellungnahme des Bundesgerichtshofs Spielern, die beträchtliche Summen verloren haben, möglicherweise die Tür zu Erstattungsansprüchen öffnet. Dieser noch nicht endgültig entschiedene, jedoch verbraucherorientierte 25-seitige Beschluss verspricht, zahlreiche Verfahren um erhebliche Geldbeträge zu klären. In ganz Deutschland haben Teilnehmer an Sportwetten bereits begonnen, auf Grundlage dieser Entwicklung Rückforderungsklagen gegen die Anbieter einzuleiten.
BGH unterstützt die Position der Wettverlierer
Viele Menschen, die in der Vergangenheit bei nicht genehmigten Sportwettbewerben finanzielle Einbußen erlitten, könnten nun Hoffnung auf die Erstattung ihrer Einsatzverluste schöpfen. Diese Aussicht basiert auf vorläufigen Signalen des Bundesgerichtshofs (BGH), die im Vorfeld einer für Mai anberaumten Verhandlung bekannt wurden. Wie unter anderem Zeit Online berichtet, zeichnet sich ab, dass das Gericht geneigt ist, im Konflikt zugunsten derjenigen zu entscheiden, die bei den Wetten das Nachsehen hatten.
In dem ausführlichen, 25 Seiten umfassenden Papier, welches der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, vertritt der erste Zivilsenat in Karlsruhe die Ansicht, dass der betroffene Betrieb gegen Bestimmungen des Glücksspielstaatsvertrags von 2012 verstoßen hat. Insbesondere wurde bemängelt, dass das Unternehmen es versäumte, die Maximalwette pro Teilnehmendem auf 1.000 Euro monatlich zu beschränken.
Ein deutlicher Beleg hierfür ist der Fall eines Spielers, der in etwas mehr als zwei Monaten des Jahres 2018 Verluste von rund 12.000 Euro erlitt und nun die Rückerstattung dieses Betrags nebst Zinsen einfordert. Aus dem noch nicht öffentlich gemachten Entschluss folgert der BGH, dass die Abmachungen zwischen Sportwettenanbieter und Wettverlierer möglicherweise ungültig seien, was dem Beschwerdeführer einen Anspruch auf Rückerstattung gewähren könnte.
Klagewelle erwartet
Experten prognostizieren eine wachsende Flut von Rechtsstreitigkeiten, so wie es auch im Falle von Online Casinos passiert ist. Zwar handelt es sich bei der Mitteilung des Senats nicht um ein endgültiges Urteil; es wurden lediglich vorbereitende Anmerkungen für die mündliche Verhandlung nach einer ersten rechtlichen Einschätzung gegeben. Dennoch sieht Rechtsanwalt Matthias Siegmann, der den Beschwerdeführer vor dem BGH vertritt, in dem detaillierten Hinweis einen Vorbote dessen, was als endgültige Entscheidung erwartet wird.
Ob es zu einer Verhandlung und einem Urteilsspruch kommen wird, steht allerdings noch aus. Die Möglichkeit, dass das betroffene Unternehmen seinen Revisionsantrag zurückzieht, besteht weiterhin. Branchenkenner erwarten eine signifikante Zunahme der Klagen. Bereits jetzt sind unzählige Verfahren im Gange, zurückzuführen auf das Angebot von Sportwetten durch diverse Betriebe unter rechtlich zweifelhaften Bedingungen in der Vergangenheit.
Zudem haben sich bereits zahlreiche Anwaltskanzleien und Firmen auf dieses Rechtsgebiet spezialisiert. Infolge des Beschlusses des BGH könnte, laut Einschätzung des Anwalts Thomas Schopf auf Anwalt.de, ein wahrer Sturm auf die Sportwettenindustrie zukommen. Die Gründer von Gamesright, Hannes Beuck und Christoph Gerstner, ziehen sogar Vergleiche zum Dieselskandal, was die Tragweite der Situation unterstreicht.
Tausende Fälle offen
Bisher fielen die Urteile verschiedener Gerichte unterschiedlich aus. Dennoch könnten niedrigere Instanzen den jüngsten Beschluss als Präzedenzfall heranziehen, argumentiert Schopf. Auch ohne endgültiges Urteil besitzt ein solcher Hinweisbeschluss wegweisende Bedeutung.sc
Das Thema erregt vor allem durch seine weitreichenden Dimensionen Aufsehen. Laut Beuck und Gerstner sind alleine durch Gamesright vermittelt noch etwa 2.000 Fälle offen. „Täglich erreichen uns ungefähr 100 neue Anfragen.“ Von den bis dato 500 abgewickelten Angelegenheiten endeten über 90 Prozent erfolgreich. Die durchschnittliche Forderungssumme beläuft sich auf etwa 25.000 Euro, wobei der höchste geltend gemachte Rückerstattungsanspruch über einer Million Euro liegt.
Unklare Regelungen in der Vergangenheit
Die Diskussion um die nicht vorhandene Lizenzierung der Anbieter zieht sich wie ein roter Faden durch die Thematik. Aufgrund rechtlicher Unstimmigkeiten im Zuteilungsprozess verfügten die Betriebe längere Zeit über keine offizielle Erlaubnis, die ihnen erst nach juristischen Auseinandersetzungen in den letzten Jahren erteilt wurde. Der Zeitraum von 2012 bis 2020, geprägt von Anpassungen in den Regelungen des Glücksspielstaatsvertrags zur Regulierung des Sportwettangebots, kennzeichnete diese Übergangsphase.
Der BGH stellte fest, dass der angeklagte Dienstleister eben wegen des Fehlens einer Genehmigung für die im Internet offerierten Sportwetten in jener Phase gegen den Glücksspielstaatsvertrag verstoßen hat. Dieses Vergehen gilt jedoch als sekundär im Vergleich zu den materiellen Regelwidrigkeiten.
Im Beschluss wurden spezifische Intentionen des Vertrags hervorgehoben, unter anderem die Prävention von Glücksspielsucht, die Kanalisierung des natürlichen Spieldrangs in kontrollierte und überwachte Formen, das Entgegenwirken von illegalem Glücksspiel auf dem Schwarzmarkt, die Förderung des Jugend- und Spielerschutzes sowie die Absicherung der Teilnehmer gegen betrügerische Aktivitäten. Diese Ziele sind identisch in den Ausführungen des neugefassten Glücksspielstaatsvertrags von 2021 verankert.